Die Gourmetbibel GAULT MILLAU 2011 ist erschienen
Der gebürtige Österreicher Lohninger bietet in drei Restaurants drei verschiedene Küchen / 19,5 Punkte für Klaus Erfort im neuen Gault Millau / Gemüse als neues Genusserlebnis / „Restaurateur des Jahres“: SC-Freiburg-Präsident Fritz Keller vom Restaurant „Schwarzer Adler“ in Vogtsburg „Die Küche der Zukunft ist ungekünstelt, urwüchsig, pur, gesund und traditionsbewusst,“ schreibt die französische Gourmetbibel Gault Millau in ihrer jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2011. „Marketingkonzepte, die etwas anderes verheißen, mögen proklamationsfreudige Journalisten erwärmen, die zahlenden Gäste lassen sie kalt.“ Das begründet der Guide mit der Küche der am besten besuchten Spitzenrestaurants in Deutschland. In denen werde statt verkopfter Konzeptionsküche das reine Genusserlebnis geboten; auf dem Teller herrsche Klarheit und Konzentration. Den größten Erfolg habe die heiterbeschwingte, sinnlich-süffige Darbietung, angerichtet von Köchen ohne eitles Virtuosengehabe und gedankenlose Verspieltheit.
Als vielversprechendsten Trend empfinden die Tester, dass die hierzulande noch immer ziemlich brachliegende Gemüsekultur zunehmend ins Blickfeld deutscher Spitzenköche rückt. Vom „herbstliche Gemüseacker“ des Saarbrückers Klaus Erfort über das vegetarisches Menü „Pures Gemüse“ von Nils Henkel in Bergisch Gladbach bis zur hochartifiziellen „Reise der Gemüse“ des Berliners Michael Hoffmann wird Gemüse als ganz neues Genusserlebnis inszeniert. Landauf, landab erkennen Köche im eigenen Garten oder gar in der eigenen Landwirtschaft den Charme des Ursprünglichen und Echten.
Geräucherter Fisch mit Mandel-Panna cotta beim „Koch des Jahres“
Den 37-jährigen Mario Lohninger, der in Frankfurt die drei Restaurants „Silk“, „Micro“ und „Lohninger“ führt, kürt der Gault Millau zum „Koch des Jahres“. Aus der Begründung: „Voller Entdeckerfreude und Erneuerungsdrang bietet Lohninger, bei dem alles so salopp wirkt, aber vollkommen ausgereift ist, in drei Restaurants pointenreich und leidenschaftlich drei Küchen.“ Er bereitet seit 2004 im „Silk“, einer edel gepolsterten Liegewiese mit entspannter Lounge-Atmosphäre, phantasievolle, zukunftsweisende Küche und im „Micro“ an großen Holztischen kosmopolitische Gerichte. Sein im März 2010 eröffnetes „Lohninger“ betreibt der Österreicher aus Maria Alm bei Salzburg als veredeltes Beisl (Gasthaus) mit Gerichten seines Heimatlandes. Diese Breite seines Repertoires erarbeitete sich Lohninger bei weltbekannten Köchen wie Wolfgang Puck in Los Angeles, Guy Savoy in Paris und David Bouley in New York. Für Gerichte wie das gekochte Schulterscherzl mit Wurzelgemüse, Apfelkren, Schnittlauchsauce, Crèmespinat und Rösterdäpfeln erhielt er vom Gault Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, im „Lohninger“ 16 von 20 möglichen Punkten, im „Micro“ für Hummer in Lotuswurzel-Tempura mit Yuzo-Crème (Zitrusfrucht) 17 und für geräucherten Black Cod (kabeljauähnlich) mit Mandel-Panna cotta und Gazpacho im „Silk“ 18 Punkte. Die beeindruckten Tester: „Es gibt nicht viele Köche, die aus scheinbar harmlosen Zutaten etwas so Freudvolles erarbeiten können.“ Eine höhere Bewertung als Lohningers 18 Punkte haben hierzulande nur 12 Köche. In seiner Freizeit ist der Gastronomensohn passionierter Ski- und Motorradfahrer sowie Musikfreak (U2, Pink Floyd).
In die Phalanx der mit 19,5 Punkten höchstbewerteten deutschen Köche stieg Klaus Erfort vom „GästeHaus“ in Saarbrücken auf. Er „erstrebt Klarheit und Konzentration auf dem Teller ganz ohne eitles Virtuosengehabe, aber auch ohne jene Verspieltheit, die bloß an den Dingen kratzt, statt ihnen auf den Grund zu gehen“. Erfort kreierte auch das „Menü des Jahres“ im Gault Millau. Es bietet u.a. Gemüsekrokant, Langoustine und Schweineschwänzchen.
Ihre 19,5 Punkte aus dem Vorjahr bekamen wieder Harald Wohlfahrt von der „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn-Tonbach, der „das Kunststück beherrscht, sich immer wieder neu zu erfinden und sich dabei treu zu bleiben“, Helmut Thieltges vom „Waldhotel Sonnora“ in Dreis bei Wittlich in der Südeifel, „der sein Restaurant als genussreiches Asyl für alle führt, die den Zuckungen des Zeitgeists ausweichen wollen“, und Joachim Wissler vom „Vendôme“ in Bergisch Gladbach, durch dessen „intellektuelle Kraftakte die heiterbeschwingte, sinnlich-süffige Darbietung so aussieht wie gerade vom Himmel gefallen“.
Diesem Quartett folgen mit je 19 Punkten Thomas Bühner vom „La Vie“ in Osnabrück, „dessen Gerichte wie ein Geschenk faszinieren, das man nicht erwartet hat und deshalb umso erfreuter auspackt“, Christian Jürgens von der „Überfahrt“ in Rottach-Egern am Tegernsee, „der sich immer mehr auf ein Hauptprodukt konzentriert und es mit Hilfe der darum herum gewobenen Aromensymphonie quasi auf ein Podest erhebt“, Christian Bau vom „Schloss Berg“ im saarländischen Perl-Nennig, der in „ästhetisch wie technisch äußerst anspruchsvolle Kompositionen, mit hierzulande kaum bekannten Zutaten experimentiert und ein fernöstliches Produktverständnis zeigt“, Hans Stefan Steinheuer von „Steinheuers Restaurant zur alten Post“ in Bad Neuenahr, der mit „höchster handwerklicher Präzision und glasklarer Aromatik beeindruckt“, Sven Elverfeld vom „Aqua“ in Wolfsburg, der „eine deutsche Hochküche entwickelt, die sich ihrer eigenständigen Wurzeln offensiv bewusst zeigt“, Heinz Winkler von der „Residenz Heinz Winkler“ im oberbayerischen Aschau, „dem eine himmlisch leichte Küche mit hocharomatischen Fonds und Kompositionen von großer Klarheit gelingt“, Christian Lohse vom „Fischers Fritz“ in Berlin, der „bestmögliche Zutaten ohne Verfremdung und aufgesetzte Effekte für sich wirken“ lässt, und Nils Henkel vom „Schloss Lerbach“ in Bergisch Gladbach bei Köln, der nach einer Phase „blutleerer und letztlich genussfeindlicher Strukturalismus-Küche“ zu „sehr klaren, sehr konzentrierten Kompositionen zurückfand und mit seinem vegetarischen Menü beglückte“.
„Aufsteiger des Jahres“: Claus Alboth aus Erfurt, der Lachs in Orangencurry beizt.
Auf 18 Punkte steigerten sich Wolfgang Becker vom „Becker’s“ in Trier, „dem in einem kleinteiligen, über mehrere Stunden ohne größere Pausen servierten Menü immer wieder die Vermählung schwieriger Partner gelingt“, Rainer- Maria Halbedel von „Halbedel’s Gasthaus“ in Bonn „dessen Präsentationen bei aller ästhetischen Brillanz viel schlichter, unangestrengter und beiläufiger als zuvor wirken“, Michael Hoffmann vom „Margaux“ in Berlin, der „seine kühl kalkulierte Kopfküche in einen farbgewaltigen Rausch der Sinne umsetzt, der den Gast mitreißt“ und Elmar Simon vom „Balthasar“ in Paderborn „der nacheinem Vorspeisen-Feuerwerk heimatverbundene oder weltläufige Gerichte bietet, die nicht abfallen“.
Insgesamt erkochten 31 Küchen 18 Punkte, die für „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung” stehen; 19,5 und 19 Punkte bedeuten Weltklasse. Von den zwischen 19,5 und 18 Punkten bewerteten 43 Köchen stehen 10 in NRW, je 6 in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie 5 in Bayern am Herd.
17 Punkte erreichten erstmals Claus Alboth vom „Alboth’s“ in Erfurt, den die Tester wegen seiner „intensiven Aromen, farbenfrohen Gestaltungsfreude und behutsamen Experimentierlust“ bei Gerichten wie dem in Orangencurry gebeizten Lachs auf Wildspargelspitzen zum „Aufsteiger des Jahres“ kürten, Kevin Fehling vom „La Belle Epoque“ in Lübeck, Caroline Baum vom „Amesa“ in Mannheim, Johannes Wuhrer vom „Falconera“ in Öhningen am Bodensee, Raimar Pilz von der „Fuchshöhle“ in Bad Säckingen bei Basel, das Duo Anibal Strubinger (Tradition) und Christian Rosse (Moderne) vom „Schwarzen Adler“ in Vogtsburg am Kaiserstuhl sowie die Küchenchefs zweier neueröffneter Restaurants:
Philipp Wolter vom Restaurant „Clara von Krüger“ in Wermelskirchen bei Köln, der zuvor im nahen Wipperfürth 16 Punkte erkocht hatte, und Sebastian Zier vom „La Mer“ auf Sylt, dessen „auch optisch entzückende moderne Küche auf klassischer Basis“ die Tester als „Entdeckung des Jahres“ vorstellen.
856 Restaurants ausgezeichnet, darunter 96 in den neuen Bundesländern
Insgesamt bewertet der alljährlich wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Feinschmeckern mit Spannung erwartete Gault Millau in seiner neuen Ausgabe 1060 Restaurants. Die 26 Tester, die stets anonym auftreten und dieses Jahr 279 500 € Spesen machten, verliehen 856 Luxuslokalen und Landgasthöfen, Bistros und Hotelrestaurants die begehrten Kochmützen. Dazu mussten die Köche mindestens 13 von 20 Punkten erreichen, was einem Michelin-Stern nahekommt.
Auch 96 Küchenchefs in den neuen Bundesländern erkochten diese Auszeichnung. An ihrer Spitze stehen mit 18 Punkten Oliver Heilmeyer vom „17fuffzig“ in Burg (Spreewald) und Dirk Schröer vom „Caroussel“ in Dresden.
Ihnen folgen mit 17 Punkten außer Alboth der Italiener Marcello Fabbri vom Restaurant „Anna Amalia“ in Weimar, Tillmann Hahn vom „Butt“ in Rostock-Warnemünde, Ronny Siewert vom „Friedrich Franz“ in Bad Doberan-Heiligendamm, Stefan Hermann vom „Bean & Beluga“ in Dresden sowie die beiden Leipziger Detlef Schlegel vom „Stadtpfeifer“ und Peter Maria Schnurr vom „Falco“.
Da auch die Welt der Gourmandise im ständigen Wandel ist und die Plätze im Feinschmeckerparadies immer wieder neu gerührt und erkocht werden, servierte der Gault Millau im Vergleich zur Vorjahrsausgabe 108 langweilig gewordene Restaurants ab und nahm 111 inspirierte Küchen neu auf. Je 107 Köche wurden höher oder niedriger als im letzten Guide bewertet.
Außer dem Koch und dem Aufsteiger sowie der Entdeckung und dem Menü des Jahres zeichnete der Guide noch weitere kulinarische und gastronomische Leistungen aus:
• „Oberkellner des Jahres“: Ansgar Fischer von der „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn,
• „Sommelier des Jahres“: Gunnar Tietz vom „First Floor“ in Berlin,
• „Restaurateur des Jahres“: Fritz Keller vom „Schwarzen Adler“ in Vogtsburg am Kaiserstuhl, der „als Gastronom, Winzer und Hotelier ein Traditionshaus in die Moderne liftete und die heikle Cuvée aus alt und jung beherrscht“. Keller ist auch Präsident des Fußball-Bundesligaclubs SC Freiburg.
• „Pâtissier des Jahres“: Nadja Hartl vom „Aqua“ in Wolfsburg,
• „Kochschule des Jahres“: das Studio von Alexander Herrmann in Wirsberg bei Bayreuth,
• „Cigar Lounge des Jahres“: die „Davidoff“-Lounge des Hotels „Graf Zeppelin“ in Stuttgart.
Als zusätzliches Schmankerl testete der im Münchner Christian Verlag erscheinende Reiseführer für Genießer (888 Seiten, 29.95 €) das Ende September 2010 eröffnete „Restaurant Dieter Müller“ auf dem Kreuzfahrtschiff „MS Europa“ sowie alle 8, nicht jedem Passagier zugänglichen Restaurants der „Queen Mary 2“. Ferner beschreibt und klassifiziert der Guide 365 Hotels.
Für unterwegs gibt es den Gault Millau auch als App fürs iPhone (7.99 €). Die App enthält den gesamten Inhalt der Buchausgabe und bietet Zusatzfunktionen zur Suche, Anfahrt und direkten Anwahl interessanter Restaurants.
Bild und Text: gaultmillau.de
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