Der Spieleklassiker „Stadt-Land-Fluss“ erreichte im Traditionshaus Dallmayr neue Dimensionen: Das Wissensspiel diente zehn Spitzenköchen als Inspirationsquelle für ihre Gerichte, während sie die Jubiläumsausgabe des CookTanks in München als Chance zum Austausch mit Fachjournalisten und Branchenkennern nutzten. Warum auch ein Quiz die Kreativität beim Kochen beflügeln kann, zeigten die Teller des Tages.
Der Münchner Tohru Nakamura aus dem Geisels Werneckhof machte als Erster deutlich, wie man das Wissensspiel kulinarisch lösen konnte: Mit Pastrami vom Neuseelandhirsch, Holunder, Haselnuss und Hanfsamen zeigte der 31-Jährige, dass der gleiche Buchstabe als gewollte Einschränkung nicht den Genussfaktor mindern muss, sondern zu neuen
Kombinationen führen kann, „die man so vorher nicht bedacht hätte“. Das Gericht von Dallmayr-Küchenchef Urbansky schlug mit Bäckchen und Schwänzchen vom Ferkel mit Rauchaal und Malz einen spannungsreichen Bogen von München als Brauereien-Hochburg über das bayerische Umland bis zum Fluss. Als einziger Schweizer der Runde schickte Nenad Mlinarevic aus dem zweifach besternten Focus in Vitznau sein Hauptprodukt auf Reisen: Entenbratwurst im Sauerteigröstzwiebelbrot als Street Food in der „Stadt“, Entenpâté auf Brotchip mit geräucherter Brust auf dem „Land“ und gefülltes Entenei am „Fluss“ – ein kreatives Vorgehen, das mit breitem Zuspruch honoriert wurde.
Passend zum Schauplatz des Geschehens stand die Frage nach einer neuen bayrischen Küche im Raum. Michael Simon Reis aus dem niederbayerischen Waldkirchen verdeutlichte das Potenzial, indem er eine urbayrische Brotzeit im neuen Gewand servierte: Einen Saibling, der zuvor mit Hopfen, Malz und Bierhefe gebeizt wurde, paarte Reis mit roter Rübe, Radi und Pfefferoni. Für den 32-Jährigen, der in seinem Sternerestaurant ausschließlich Süßwasserfische und regionale Zutaten auf den Tisch bringt, eine Selbstverständlichkeit. „Wir müssen die Wertschöpfung in der Region behalten. Wenn nicht wir unsere heimischen Produkte nutzen, wer sollte es sonst tun?“, appellierte Reis an seine Kollegen.
Mit einer Interpretation der hanseatischen Aalsuppe wusste Marcel Görke als einer von drei Wildcard-Gewinnern zu überzeugen. Dank moderner Herangehensweise brachte der 36-
jährige Hamburger den Klassiker mit kräftigem Schinkensud, begleitet von einer salzigen Dampfnudel und diversen Ackergemüsen, auf neuen Kurs. „Marcel Görke zeigt bespielhaft, wie die Wildcards den CookTank bereichern und bisher eher unbekannte Talente auf dem Radar der Teilnehmer auftauchen“, erklärt Thomas Vilgis. Der wissenschaftliche Begleiter der ersten Stunde ging überdies in einem Kurzvortrag auf das Räuchern von Lebensmitteln und die dahinter stehende Chemie ein: „Selbst zu räuchern ist definitiv ein Trend in der Top-Gastronomie. Früher nur zum Haltbarmachen genutzt, verleiht es Gerichten heutzutage fast vergessene Geschmacksnoten.“
Um Inspiration geht es beim CookTank seit der ersten Ausgabe – jedoch war die Teilnehmerschar zum Auftakt der Reihe im Jahr 2011 deutlich kleiner: Lediglich zwei Köche und Wissenschaftler Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut in Mainz wurden zur Premiere bei Drei-Sterne-Koch Juan Amador nach Mannheim eingeladen. „Wir waren überzeugt von der Idee – so sehr, dass wir sogar selbst für die Profis gekocht haben. Aber da es etwas in der Art nicht gab, galt es erst einmal auszuprobieren, ob tatsächlich Spitzenköche an ihrem freien Tag zusammen kommen würden, um Kollegen Einblick in ihre Küchen, Techniken und Rezepte zu geben – geschweige denn, miteinander zu diskutieren“, erzählt CookTank-Gründer Christian Stromann. „Es war einfach ein spannendes Experiment für mehr Austausch unter den Köchen.“
Was aus dem Versuch wurde, zeigt der Rückblick: Insgesamt standen bis dato 85 Chefs mit 118 Michelin-Sternen bei den CookTanks gemeinsam am Herd. Im Teamwork mit 112 Sous-Chefs und Beiköchen wurden 109 neue Gerichte entwickelt und auf mehr als 2.500 Tellern zum Verkosten angerichtet. Seit der fünften Ausgabe haben zudem Nachwuchstalente die Chance, sich mit ihren Rezeptideen auf eine Wildcard zu bewerben – 16 Hoffnungsträger setzten sich bisher aus 337 Mitbewerbern durch und nahmen an den Köchetreffen teil. Das Foto- und Filmteam „White Plate“ produzierte mehr als 16.000 Fotos sowie fast 35 Filmstunden Reportage-Material – hinzu kommen die zahlreichen Visualisierungen der Pressevertreter und Blogger, die seither über die Koch- und Denkfabrik berichtet haben. Abseits öffentlicher Veranstaltungen hat sich so ein Forum etabliert, das den Besten der Szene eine Bühne zum Fachsimpeln bietet.
Im Zwei-Sterne-Restaurant des Feinkosthauses Dallmayr in München kamen am 14. September zehn Spitzenköche zum CookTank No.10 zusammen. Der Schweizer Nenad Milnarevic vom Focus (2*) in Vitznau kochte mit seinen Münchner Kollegen Bobby Bräuer vom EssZimmer (2*), Jan Hartwig aus dem Atelier (1*), Tohru Nakamura von Geisels Werneckhof (1*) und Gastgeber Diethard Urbansky (2*). Dazu gesellten sich Anton Schmaus aus dem Restaurant Størstad (1*) in Regensburg und Michael Simon Reis vom Johanns (1*) in Waldkirchen. Als Gewinner der Wildcards nahmen Philipp Rümmele vom Adler (1*) in Asperg, Marcel Görke aus dem Stüffel in Hamburg und Christian Sturm-Wilms vom Yunico in Bonn teil. Unterstützt wurde der CookTank von der Porzellan-Manufaktur Hering in Berlin und dem Wildfleischlieferanten Neuseelandhirsch sowie dem Delikatessenhaus Dallmayr und den Geisel Privathotels in München.
Bild oben: Wildcard-Gewinner Marcel Goerke ueberzeugte seine Kollegen mit einer Neuinterpretation des hanseatischen Klassikers © White-plate.com
Bild unten: Phillip Ruemmele aus dem Adler Asperg (v.l.), CookTank-Gastgeber Diethard Urbansky (Mitte) und Atelier-Sous-hef Julian Stowasser richten an © White-plate.com